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Weihnachten im Walde: Sievering – Kohlenbrennerbründl - Sievering

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Der Ausflug zum Kohlenbrennerbründl ist in zweifacher Hinsicht eine kleine Entdeckungsreise. Zum einen, weil es das Kohlenbrennerbründl in seiner ursprünglichen Form schon lange nicht mehr gibt und sein Standort auch weitgehend unbekannt ist, zum anderen, weil man hier auf ein ganz schmales Segment der Wiener Sozialgeschichte stößt, das heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Die Rede ist von den sogenannten „Brünnlweibern“ und „Brünnlnarren“, die beim Agnes- und Kohlenbrennerbründl stets auf der Suche nach dem Lottoglück und letzten Endes auch auf der Suche nach dem eigenen Lebensglück waren.

 

Der nette Spaziergang am Rande der Stadt kann zu jeder Jahreszeit gemacht werden, bei Schneelage ist er aber besonders stimmungsvoll. Der Weg in die Vergangenheit beginnt bei der Sieveringer Straße 251. Hier zweigt einerseits die gelbe Markierung durch den Gspöttgraben auf den Himmel ab, andererseits die grüne Markierung, die zur Jägerwiese bzw. auf den Hermannskogel (542 m) führt. Der grün markierte Weg folgt anfänglich dem gewundenen „Uferweg“ neben dem Erbsenbach, kommt am ehemaligen Linienamt vorbei und wechselt dort die Bachseite. Der malerisch neben der alten „Wildbachverbauung“ des Erbsenbaches einherführende Promenadenweg (Spießweg) wurde 1912 ausgebaut. Im Winter wurde der mehrfach aufgestaute Erbsenbach zur Eisgewinnung herangezogen und auf diesen kleinen Eisteichen konnte man sogar eislaufen. Beim Wegknotenpunkt Zierleiten wechselt die grüne Markierung die Straßenseite. 

Ab hier trägt der Wanderweg zur Jägerwiese den Namen „Holzknechtweg“. Der Weg verdankt seinen Namen nicht den einstigen Holzknechten, die hier Bäume schlägerten, sondern leitet sich von einem Vereinsnamen ab. „D´Holzknecht“ waren eine der ältesten „alpinen Gesellschaften“ Österreichs. Ihre Wurzeln reichen tief in die Pionierzeit der altösterreichischen Wanderbewegung zurück. In den späten 1870er Jahren bauten sie den nach ihnen benannten und damals schon grün markierten „Holzknechtweg“ von Sievering auf die Jägerwiese. Diese Route war einst, neben der Route „Gspöttgraben – Am Himmel – Kreuzeiche - Jägerwiese“ ein viel begangener Pilgerweg zum Agnesbründl.

Die grüne Markierung passiert den Staudamm des Rückhaltebeckens des Erbsenbaches, folgt nun sanft steigend dem Kohlenbrennergraben und trifft dann nach einem Kilometer auf die Kohlenbrennerbrücke der Wiener Höhenstraße. Die Mitte der 1930er Jahre errichtete Betonbrücke ist eines der interessantesten Verkehrsbauwerke der Wiener Höhenstraße, weil sie nicht nur einen Bachlauf, sondern auch zwei Fußwege, die unterhalb wiederum mit einer kleinen Fußgängerbrücke verbunden sind, überspannt. Man unterquert nun die Kohlenbrennerbrücke, biegt dann unmittelbar danach nach rechts auf den blau markierten Höhenstraßen-Begleitweg ab und unterquert auf der anderen Bachseite abermals die Kohlenbrennerbrücke. Von hier ist es nicht mehr weit zum ehemaligen Kohlenbrennerbründl.

Die Quelle befindet sich im Wald am Südhang des Langerberges (492 m), ca. 50 m unterhalb der Höhenstraße, etwa in der Hälfte der Strecke zwischen der Kohlenbrennerbrücke und der Haidgrabenbrücke. Ein kleiner Waldweg führt dorthin. Die Quelle ist schon seit langer Zeit gefasst, das austretende Wasser daher nicht mehr sichtbar. Wer sich aber ganz nahe zur verschlossenen Eisentüre der alten Brunnenstube beugt, kann das Plätschern des Quellwassers hören.

Das Kohlenbrennerbründl war sozusagen ein Nebenschauplatz des legendären Agnesbründls. Es ist heute gänzlich in Vergessenheit geraten. Man findet es auch nicht auf den Landkarten und Stadtplänen. Vor hundert Jahren herrschte hier noch abergläubisches Treiben und auch nach dem 2. Weltkrieg trafen sich hier noch einige Brünnlweiber und Brünnlnarren. Einer, der sich mit dem Kult um das Agnes- und Kohlenbrennerbründl auch wissenschaftlich auseinandergesetzt hatte, war Dr. Walter Hirschberg (1904-1996), Professor am Institut für Völkerkunde der Universität Wien. In seinem längst vergriffenen Büchlein „Das Agnesbrünnl“ besticht er mit einer beeindruckenden Charakterschilderung der Brünnlweiber. Hirschberg hat die Vorkommnisse in den 1930er Jahren beobachtet und mit den Protagonistinnen immer wieder gesprochen, auch noch nach dem 2. Weltkrieg. Die hier zitierten Texte stammen aus dem Jahr 1949:

„Von der ziemlich großen Gemeinde, die mit geradezu rührender Liebe an dem Brünnl hing, sind eigentlich nur mehr zwei Frauen übrig geblieben, die gelegentlich noch beim Brünnl schlafen. Alle die anderen sind verstorben. Es sind durchaus dem Kleinbürgertum entstammende Frauen, die zum Brünnl gegangen sind und heute noch gehen. Männer haben dagegen weniger ein Verständnis für das Brünnl aufgebracht. Alle aber sind sie trotz der vielen Glücksnummern arme Leute geblieben und die noch Lebenden suchen bis heute anscheinend vergebens ihr Glück. Die meisten mir bekannt gewordenen Frauen waren Witwen oder sie standen von Jugend her allein im Leben. Viele von ihnen waren slawischer, meist tschechischer Abkunft. Manche sprachen nur ein gebrochenes Deutsch, oder eines, das deutlich den slawischen Einschlag verriet und mitunter die Heiterkeit sogar der Brünnlnarren erregte. Sie waren einfache, schlichte, gute und fromme Menschen und beseelt von einer großen Liebe zur Natur, ein bisschen wohl angesteckt von der schwärmerischen Empfindsamkeit romantischer Zeiten. Infolge ihres hohen Alters und ihrer Bildungsstufe waren sie oft auch schon ein wenig kindisch. Manche unter ihnen schlug auch die Karten auf und dünkte sich als Prophetin. […]

Manche Frauen gingen schon seit dreißig oder vierzig Jahren zum Brünnl. Es sind nicht bloß immer nur Frauen gewesen, die ihr Glück beim Brünnl suchten, es gab auch Männer, die mitunter bei den Frauen im Walde schliefen. […]

Der Zweck dieses Schlafens im Walde war und ist, die dabei gewonnenen Träume nach Nummern auszudeuten und die im Halbschlaf oder auch Wachsein gehabten Erscheinungen (rollende und zerplatzende Kugeln, weiße Tiere, Karl und Agnes, Schimmelreiter, grüner Jäger usw.) gleichfalls in Glücksnummern zu übersetzen. Verglich ich die vielen „wahren“ Begebenheiten, die die Frauen selber hatten, mit den bekannten um den Hermannskogel und das Agnesbründl kursierenden Sagen, dann sah ich Verwandtes und Gleiches. Die Frauen erlebten immer wieder von neuem die gehörten und bekannten Sagenmotive, wobei es merkwürdig war, dass sie einerseits von der Wirksamkeit und dem Bestehen dieser „Geistergestalten“ vollkommen überzeugt waren, andererseits aber selber Fälle zum Besten gaben, die von einer bewussten Irreführung erzählten. […]

Wenn die Frauen zum Brünnl gingen, waren sie stets bereit, ein Wunder zu erleben. Sie gierten förmlich danach. Es kam auf die „Begegnisse“, die sie dabei hatten, an. Sie wurden hellhörig und seherisch und nichts entging ihrer gesteigerten Aufmerksamkeit. Phantasie und Einbildungskraft wurden übermächtig. So kam es wohl vor, dass sie plötzlich neben sich eine fremde Person zu sehen vermeinten, die mit ihnen sprach. […]

Fast eine jede spielte sich ein wenig als Prophetin auf, die eine mehr, die andere weniger, ohne aber ein besonderes Aufsehen von sich zu machen. Alles war sozusagen für den „Privatgebrauch“ berechnet. Es geisterte auf, unter und zwischen den Bäumen im Walde, feurige Kugeln rollten über den Boden und an den Bäumen empor, Geistertiere und geisterhafte Wesen aus dem Sagenschatz des Hermannskogels, meist weiß gekleidet, tauchten auf und verschwanden spurlos zwischen den Bäumen. Es war nicht geheuer im Sieveringer Wald. […]

Die Frauen schliefen im Walde. Sie trugen Säcke herbei, füllten sie mit trockenem Laub, sie brachten Decken und Polster und kochten auch im Walde ab. Sie machten sich ein richtiges „Zigeuenerlager“ und waren begeistert von der Romantik desselben. […]

Im Überschwang romantischer Gefühle nannten sich die Brünnlnarren auch „Waldfeen und Prinzen“, halb im Spiel und halb im Ernst. Sie hörten es auch ganz gerne, wenn die Polizeimänner sie im Scherz Zigeuner nannten, im Hinblick auf ihre nächtlichen Lager im Walde. […]

Zu Johannis (29. August) spielten sie scherzhaft die Karl- und Agnessage, dergestalt, dass sie sich als Karl und Agnes verkleideten. Auch einen Priester stellten sie dar, der die beiden traute. Zum Zeichen seiner Würde trug er einen Gansflügel, den er als Weihwedel benutzte. Wer darin etwa eine Verhöhnung des Religiösen sähe, der befände sich auf einem völlig falschen Weg. Dies kam den alten Frauen gewiss nicht in den Sinn. Dazu waren sie in ihrem Herzen viel zu fromm, viel zu gläubig im echten Sinne des Wortes. Sie spielten nur die Brünnlnarren, so wie eben Kinder spielen, sie spielten zu ihrer Unterhaltung, zur Freude ihres einfältigen Gemütes. Und am Rande des Spiels lagen die glückbringenden Nummern. Es mag manchmal Augenblicke gegeben haben, bei denen sie die Schwelle des Spiels überschritten und in die Wirklichkeit gerieten und dann glaubten, tatsächlich die Gestalten des Spieles selber zu sein. Dann waren sie eben die Waldfeen und Prinzen, die ihr Denken stark bewegten und in ihren Köpfen spukten. […]

Zu Weihnachten aber feierten die „Waldfeen und Prinzen“ Weihnachten im Walde und stimmungsvoll brannten die Kerzen am Christbaum.“


Nachdem man das abseits gelegene Kohlenbrennerbründl passiert hat, folgt man weiter dem blau markierten Höhenstraßen-Begleitweg, der beim Parkplatz vor dem „Himmel“ die Straßenseite wechselt und nach 100 Metern auf die gelbe Markierung stößt, die von der Agneswiese und Kreuzeiche herunter kommt. Der gelb markierte Weg überquert abermals die Höhenstraße, läuft dann 200 m auf der Himmelstraße und biegt dann rechts in die schmale Straße mit der Bezeichnung „Gspöttgraben“ ein. Hier und auf der oberhalb liegenden Himmelwiese hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt. Auch der Lebensbaumkreis befindet sich hier. Nach weiteren 200 m dreht der gelb markierte Weg wieder nach links und führt nun steil durch den Gspöttgraben bergab. Wer geradeaus weitergeht, kommt direkt zur legendären Sisikappelle. Die gelbe Markierung endet schließlich bei der Sieveringer Straße 251, dem Ausgangspunkt der kleinen Wanderung. Auch der letzte Wegabschnitt ist von historischen Ereignissen und längst vergangenen, menschlichen Schicksalen begleitet. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Siehe auch die Wanderempfehlungen:
Eine Pilgerreise zum Lotteriebründl
Zum höchsten Punkt von Wien
Die dunkle Seite des Wienerwaldes

 

Wegtyp: Rundweg

Weglänge: 4,4 km

Wegzeit: 1 ½  h

Markierungsfolge: grün – blau – gelb

 

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