ÖTK Klosterneuburg

Abenteuer Berg - Erlebe die Berge

Die Wege der k. u. k. Bürokratie: Hinterweidling – Rohrerwiese – Sauberg – Hinterweidling

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Der hier beschriebene Rundweg führt durch die wuchernde Waldlandschaft des nördlichen Wienerwaldes. Für den Unkundigen ist es eine kleine Wanderung durch die Klosterneuburger Hochwälder, für den Kundigen eine kurze Reise durch die Zeitgeschichte.

 

Ausgangspunkt der Wanderung ist Hinterweidling, genauer gesagt die Straßenkreuzung der Sieveringer Straße mit der Steinrieglstraße. Der Weg beginnt bei der Straßenbrücke und folgt nun einem ebenen Forstweg, der über eine langgezogene Wiese in den sogenannten Schützengraben führt. Nachdem der Waldrand erreicht ist, muss man linker Hand den Bach überqueren. Eine Brücke gibt es nicht, aber bei normalem Wasserstand ist diese sportliche Herausforderung jedermann zumutbar. Der Weg beginnt nun sanft zu steigen und quert neuerlich brückenlos den Bach. Diese von alten und teils sehr hohen und morschen Bäumen geprägte Tallandschaft verbreitet eine ganz eigene Atmosphäre. Der mäandrierende Bachlauf, die zahlreichen Feuchtstellen und die hier generell sehr wild wirkende Bachlandschaft hinterlassen vor allem bei trüber Witterung starke Eindrücke. Der Waldgraben wird nun enger und tiefer und das Landschaftsbild wandelt sich. Der gut ausgebaute Weg wird nun an der steilen Flanke des Schützengrabens weitergeführt. Bemerkenswert sind die kleinen seitlichen Bachläufe, die vom Dreimarkstein herunter rinnen und den Weg in der Falllinie queren. Diese kleinen, feuchten Seitengräben müssen mit kleinen Bögen ausgegangen werden. Dieser Missstand wurde bereits 1866 bemängelt und zwar in den Jörgl Briefen. Die Jörgl Briefe waren eine gern gelesene, humoristisch-satirische Wochenschrift, die über einen Zeitraum von 100 Jahren durchgehend erschien. Die Texte waren im volksnahen Wiener Dialekt verfasst. Anlass für die beißende Kritik waren die morschen Brücken über diese kleinen Seitengräben. Schließlich handelte es sich bei diesem breiten Weg durch den Schützengraben um einen Mitte der 1850er Jahre angelegten und gern begangenen Promenadenweg von Sievering nach Weidlingbach. Weidlingbach gehörte seit 1868 zur Bezirkshauptmannschaft Hernals und diese wiederum zum Erzherzogtum Österreich unter der Enns (Niederösterreich). Bereits wenige Jahre später wurde der Promenadenweg von Weidlingbach nach Sievering vom Österreichischen Touristenklub blau markiert. Diese blaue Markierung endet heute beim Grüass di a Gott Wirt, am Sieveringer Sattel.

 

Der Grüass di a Gott Wirt ist ein Relikt der einstigen Verzehrungssteuerlinie der k. u. k. Finanzverwaltung im Wienerwald. Das am Schnittpunkt der Sieveringer Straße mit der Wiener Stadtgrenze errichtete Gebäude war 30 Jahre lang ein Grenzposten, genauer gesagt ein „Ansageposten“, also eine Außenstelle des Linienamtes in (Ober-)Sievering. Die Einfuhr von Waren nach Wien war früher steuerpflichtig. Diese sogenannte „Allgemeine Verzehrungssteuer“ wurde bereits 1829 für die meisten Gebiete des Kaisertums Österreich eingeführt. In Wien war sie beim Passieren des sogenannten Linienwalls zu entrichten. Der 13,4 km lange und rund 3,5 m hohe Erdwall wurde aus militärstrategischen Überlegungen auf Anraten des Prinzen Eugen von Savoyen (1663-1736) im Jahre 1704 aufgeschüttet und sollte nicht nur Wien, sondern auch den Wiener Vorstädten Schutz bieten. Der Wall umgab die Stadt in einem unregelmäßig gezackten Halbkreis. Heute befindet sich an seiner Stelle die Wiener Gürtelstraße. Nach dem diese Befestigungsanlage rasch ihre militärische Bedeutung verloren hatte, wurde der Wall von der Finanzverwaltung als Steuereinhebungslinie genutzt. An den elf mit Toren gesicherten Durchgängen befanden sich die Mautstellen, die sogenannten Linienämter.

Mit der zweiten großen Stadterweiterung von 1890/92 kamen 33 Vorortgemeinden und weitere 20 Gemeindeteile zu Wien. Die Stadtgrenze und somit auch die Verzehrungssteuergrenze wurden auf die Anhöhen des Wienerwaldes verlegt und mit 246 quadratischen Grenzsteinen vermarktet. Der Linienwall und die alten Linienämter wurden geschleift. Zuvor wurden aber an der Peripherie die neuen Linienämter errichtet. Sie standen entlang der neu gezogen Stadtgrenze, an den Einfallstraßen nach Wien. Viele dieser großen, ehemaligen Finanzgebäude sind heute noch erhalten, so zum Beispiel das schön renovierte Linienamtsgebäude in der Neuwaldegger Straße 59 bei der Marswiese, oder jenes an der Sieveringer Straße 275.

Auch die Straße von Weidlingbach nach Sievering musste „fiskalisch gesichert“ werden. Allerdings baute man dieses Linienamt nicht direkt oben bei der Rohrerwiese, sondern oberhalb von Sievering. Bei der Rohrerwiese wurde lediglich ein kleiner, gemauerter „Ansageposten“ errichtet. Von hier wurden dem Linienamt in der Sieveringer Straße die eintreffenden steuerpflichtigen Transporte gemeldet.

Die Finanzverwaltung baute aber nicht nur Linienämter, Amtsdeutsch „Verzehrungssteuer-Linien-Abfertigungsstellen“, in den Wienerwald, sie stellte auch sogenannte Rayonssäulen auf, die die einzelnen Steuerrayone entlang der Stadt- bzw. Steuergrenze kennzeichneten. Diese gusseisernen Rayonssäulen hatten ein kandelaberähnliches Aussehen und trugen in rund 2,5 m Höhe eine kunstvoll eingefasste Tafel mit der Aufschrift „VERZEHRUNGS-STEUER LINIE Nr. XX“. Darüber verlieh der angebrachte Doppeladler dieser Tafel den notwendigen behördlichen Charakter und wies gleichsam auf den Ernst der Lage hin.

Insgesamt wurden 40 durchnummerierte Rayonssäulen an der Stadtgrenze aufgestellt. Die Rayonssäule 1 befand sich an der Heiligenstädter Straße, etwas außerhalb des Kahlenbergerdorfes, am einstigen Beginn des rot markierten Nasenweges. Sie kennzeichnete den neuen Verzehrungssteuerrayon Nr. 1. Von hier aus erfolge die Beschilderung im Uhrzeigersinn rund um Wien.

Im Bereich des Wienerwaldes gab es zwischen Hameu und Leopoldsberg folgende Rayonssäulen-Standorte, die alle entlang der markierten Wanderwege des Österreichischen Touristenklubs lagen:

 

Rayonssäule Nr.:

Standort

Wegmarkierung

32

Hameau, Südseite

blau Kreuzung gelb

33

Hameau, Nordseite

rot Kreuzung gelb

34

Dreimarkstein

rot Kreuzung grün

35

Grüass di a Gott Wirt

blau

36

Jägerwiese West

rot

37

Jägerwiese Ost

rot Kreuzung gelb

38

Kahlenberg West, heute Höhenstraße

rot Kreuzung grün

39

Elisabethwiese, Nord

grün Kreuzng blau

40

Kollersteig, ehem. Bründlwegbrücke

gelb

 

Das waren aber nicht die einzigen Tafeln der Finanzverwaltung im Wald. Eigene Verbotstafeln kennzeichneten jene „Wege und Fußsteige“, auf denen „Gegenstände des Linien-Verzehrungssteuertarifes“ nicht in das Verzehrungssteuergebiet eingebracht werden durften. Rund 35 „steuerbare Gegenstände“ mussten deklariert werden: alkoholische Getränke, Vieh, Fleisch, Wild und Federwild sowie Fische und Schalentiere. Brennstoffe wie Kohle und Holz sowie wichtige Grundnahrungsmittel wie Mehl, Getreide, Hülsenfrüchte und Eier waren steuerfrei. 

Die damals schon seit rund 20 Jahren bestehenden Wege des Österreichischen Touristenklubs waren letztendlich die richtungsweisende Grundlage für die Grenzziehung der neuen Wiener Stadtgrenze zwischen Hameau und Leopoldsberg (ausgenommen der Gipfel des Hermannskogels). Auf ihnen verlief auch die Verzehrungssteuer-Linie, an ihnen standen auch die Rayonssäulen der Finanzverwaltung und auf ihnen durften keine verzehrungssteuerpflichtigen Waren nach Wien transportiert werden.

 

Mit 1. Dezember 1921 wurde die Verzehrungssteuer abgeschafft. Die Steuergrenze auf den Höhen des stadtnahen Wienerwaldes und der kleine Ansageposten verloren ihre behördliche Funktion. Die gusseisernen Rayonssäulen wurden entfernt. Die quadratischen Grenzsteine mit der pyramidenförmigen Abdachung behielten hingegen hier bis heute ihre rechtliche Wirksamkeit.

Beim alten Ansageposten konnte man auch später noch Abgaben entrichten, allerdings mit dem erfreulichen Unterschied, dass man dafür ein Glas Bier oder eine Tasse Kaffee serviert bekam. Aus dem einst ärarischen Finanzhäuschen wurde nämlich eine private „KAFE GASTWIRTSCHAFT“, wie man auf dem über der schmalen Tür angebrachten Schild lesen konnte. Die Kette der vielen Gastwirtschaften, die sich einst vom Kahlenberg bis zur Mostalm zog, war wieder um ein Glied reicher geworden. Ihren Namen erhielt die Gaststätte vom damaligen Wirt, der das „Grüass di Gott“ der Vorbeiziehenden mit dem „Grüass di a Gott“ erwiderte.

 

Der Standort des Gasthauses erwies sich als äußerst günstig, denn die Rohrerwiese hatte einen großen Zulauf von naturhungrigen Städtern. Vor allem in den Wintermonaten der 1920er und 1930er Jahre entwickelte sich die Wiese zu einem wahren Wintersportzentrum am Rande der Stadt. Dazu trug sicher auch die günstige Lage an der Sieveringer Straße bei. Der Ansturm der Schi- und Rodelfahrer war so groß, dass man hier einen eigenen Winterhilfsdienst einrichtete, der die gestürzten Sportler versorgte. 

Mitte der 1930er Jahre baute man unmittelbar neben der kleinen alten Gaststätte die große, moderne Wiener Höhenstraße. Nachdem die Bauarbeiter die Straße und die große Sieveringer Brücke vollendet hatten, machten sich die neuen Automobilisten mit ihren aufpolierten Fahrzeugen auf die Suche nach der befahrbaren Natur, die sie unter anderem auch beim Grüass di a Gott Wirt fanden. 

Die Rohrerwiese und den Grüass di a Gott Wirt besucht man auch heute noch gerne. Und wenn im Winter die Schneelage günstig ist, dann ähnelt die Wiese wieder den alten Schwarz-Weiß-Bildern mit den rutschenden und rodelnden Städtern, die sich hier in ausgelassener Winterlaune auf dem mäßig steilen Hang tummeln. Aufwärmen kann man sich dann in den beiden dunklen Räumen der kleinen Gastwirtschaft, in denen die Pionierzeit des Wienerwaldtourismus noch immer lebendig ist.

 

Nach dem theoretischen Exkurs über die Folgen der zweiten großen Stadterweiterung sollte man sich nun wieder den praktischen Übungen zuwenden. Im konkreten Fall bedeutet das, dass man, nachdem man den Schützengraben hinter sich gelassen hat, nach links abbiegt. Der Weg quert die Sieveringer Straße, führt am Grüass di a Gott Wirt vorbei und wechselt nun von der blauen auf die grüne Markierungsfarbe. Rechter Hand überspannt die Sieveringer Brücke – die größte Brücke der Wiener Höhenstraße – die Sieveringer Straße. 100 Meter weiter legt sich die breite Rohrerwiese konkav gewölbt an den Abhang des Hermannskogels. Und unter den bergwärts wandernden Füßen liegen seit 1. Jänner 1892 die Wiener Stadtgrenze und die einstige Verzehrungssteuerlinie. Die noch immer gültige Stadtgrenze ist leicht an den quadratischen Grenzsteinen mit der Gravur „GW 1891“ zu erkennen. GW steht für Gemeinde Wien, 1891 ist das Jahr der Grenzvermarkung. Die beigefügte Zahl ist die fortlaufende Nummerierung der Steine.

Nach wenigen Minuten erreicht man den Wegknotenpunkt Rohrerwiese/Süd. Man folgt weiterhin dem links abzweigenden, grün markierten Fahrweg, der zum Hermannskogel führt. Die Rohrerwiese hinter sich lassend, geht es nun durch den Wald zügig bergan, bis man nach einem halben Kilometer erneut auf die gelben Wegweiser trifft. Diese Wegkreuzung trägt die Bezeichnung „Sauberg“ und ist der höchste Punkt dieser Rundwanderung. Hier biegt man abermals nach links ab, verlässt die Wiener Stadtgrenze und wandert nun auf dem rot markierten Gustav Fischer Steig wieder talwärts. Über den Sauberg, einem „Vorgipfel“ des Hermannskogels, geht es anfangs gemächlich, dann steil fallend hinunter nach Hinterweidling. Der Weg besticht durch seine abwechslungsreiche Waldlandschaft und gibt hin und wieder auch einen Blick in das Weidlingbachtal frei. Der Steig wurde nach Direktor Gustav Fischer, der sich jahrzehntelang um das Markierungswesen der ÖTK-Sektion Klosterneuburg verdient gemacht hatte, benannt.

 

Auf halber Höhe des Weges begegnet man abermals der k. u. k. Administration. Diesmal stößt man aber nicht auf die alten Spuren der Finanzverwaltung, sondern der Landesverteidigung. Der rot markierte Gustav Fischer Steig führt nämlich direkt durch eine Infanteriestellung des 1. Weltkrieges. Der aufmerksame Wanderer wird oberhalb der querenden Forststraße ein Grabensystem im Waldboden erkennen. Diese militärische Anlage aus dem Jahr 1914 ist Teil eines nie umkämpf gewesenen Verteidigungsringes rund um Wien. Das vorsorglich errichtete, rund 80 km lange Stellungssystem, von dem noch zahlreiche Spuren im Boden des stadtnahen Wienerwaldes vorhanden sind, trug die militärische Bezeichnung „Brückenkopf Wien“. Die von Weidlingbach nach Wien einfallende Straßenverbindung wurde besonders gesichert, weshalb man auch heute noch am Sauberg und am gegenüberliegenden Simonsberg (423 m) Infanterie- und Artilleriestellungen aus dem 1. Weltkrieg im Bodenprofil des Waldes finden kann.

Der rot markierte Wanderweg verlässt schließlich in Hinterweidling nicht nur den Wald, er erreicht hier auch wieder den Ausgangspunkt und bringt uns verlässlich wieder in die Gegenwart zurück.

 

Siehe auch die Wanderempfehlung Schiarena Hameau – Dreimarkstein

 

Wegtyp: Rundweg

Weglänge: 4,5 km

Wegzeit: 1 ½ h

Markierungsfolge: blau – grün – rot  

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